9. Friedrich Fröbel und der Kindergarten

Am 21. April 1782 wird in Oberweißbach Friedrich Fröbel geboren. Sein Vater ist der damalige Pfarrer Johann Jakob Fröbel (geb. 28.01.1730 in Neuhaus, gest. 10.02.1802 in Oberweißbach), seine Mutter Jacobine Eleonore Friederike (geb. Hoffmann, geb. 24.03.1744 in Singen). Als sie im Jahr darauf (am 7. Februar 1783) stirbt ahnt niemand, welche Auswirkungen dieser frühe Verlust und das emotional völlig unterkühlte Verhältnis zur Stiefmutter (Friederike Sophie Otto) für den Jungen – und seinen späteren Werdegang – haben wird.

Die Bedeutung der frühesten Kindheit für die seelische und intellektuelle Entwicklung von Kindern nämlich ist es, die Fröbel berühmt machen wird. Doch bis dahin ist es ein weiter Weg. Hier einige Stationen in Kürze:

  • 1792: Umzug nach Stadtilm zum Onkel, Superintendent Hoffmann,
  • 1797: Landwirtschafts- und Försterlehre bei Hirschberg (Saale),
  • 1799: Studium der Naturwissenschaften in Jena,
  • 1802: Forstamtsaktuar (Sekretär, Landvermesser) in Baunach und Bamberg,
  • 1804: Privatsekretär auf Gut Groß Miltzow.

Und dann legt er richtig los:

Ab 1805 lernt Fröbel in Frankfurt am Main die Ideen JohannHeinrich Pestalozzis kennen, arbeitet ebendort von 1806 bis 1811 als Hauslehrer der Söhne der Familie von Holzhausen und zieht zusammen mit den drei Jungen 1808 zu Pestalozzi nach Iferten (heute: Yverdon-les-Bains, Kanton Waadt) in die Schweiz (bis 1810).

1811: Fortsetzung des Studiums der Sprachen, Physik und Chemie in Göttingen und der Mineralogie in Berlin sowie Tätigkeit als Lehrer an der dortigen Erziehungsanstalt von Johann Ernst Plamann.

1813: Teilnahme an der Schlacht von Großgörschen (heute Lützen). Bei den Lützower Jägern, einem wegen der erstmals verwendeten (Uniform-) Farben Schwarz-Rot-Gold historisch bedeutsamen Freikorps im Kampf gegen Napoleon, beginnt die Freundschaft zu den späteren Mitarbeitern WilhelmMiddendorf und Heinrich Langethal.

1814: Assistent am Institut für Mineralogie in Berlin,

1816: Gründung der „Allgemeinen Deutschen Erziehungsanstalt“ in Griesheim, die im Jahr darauf nach Keilhau bei Rudolstadt verlegt und von Fröbel gemeinsam mit Langethal, Middendorf und Wilhelmine Henriette Hoffmeister geführt wird,

1818: Heirat mit Wilhelmine Henriette Hoffmeister,

1826: „Die Menschenerziehung“, Friedrich Fröbels pädagogisches Hauptwerk, erscheint.

1831: Gründung einer Erziehungsanstalt auf Schloss Wartensee in Neuenkirch (Kanton Luzern, Schweiz), welche 1833 nach Willisau verlegt wird.

1835: Leitung des Waisenhauses in Burgdorf (Kanton Bern, Schweiz).

1837: Rückkehr nach Thüringen und Gründung eine „Pflege-, Spiel- und Beschäftigungsanstalt“ für Kleinkinder.

In Bad Blankenburg beginnt Friedrich Fröbel mit der Gestaltung und Herstellung seiner Spielgaben und anderer kleinkindgerechter Spielmaterialien, denkt sich Bewegungsspiele, Denkspiele, Lieder und leicht eingängige Sprüche aus und unternimmt mit den Kindern ausgedehnte Exkursionen, Spiele und Abenteuer in freier Natur.

1839: Fröbels Ehefrau stirbt.

1840: Am 28. Juni Gründungsveranstaltung des „Allgemeinen deutschen Kindergartens“ (und damit des weltweit ersten Kindergartens) in Bad Blankenburg,

1842: Bildungskurse für Kindergärtnerinnen,

1844: Friedrich Fröbels „Mutter- und Koselieder“ erscheinen.

1850: Auf Schloss Marienthal Gründung der ersten Schule zur Ausbildung von Kindergärtnerinnen, Spielfest auf dem Altenstein am 4. August.

1851: Heirat mit Louise Levin, einer früheren Schülerin Fröbels.

Am 7. August 1851 verbietet Preußen den Betrieb von Kindergärten wegen angeblicher „destruktiver Tendenzen auf dem Gebiet der Religion und Politik“, beruft sich dabei jedoch auf ein Buch über Hochschulen für Mädchen und Kindergärten von Karl Fröbel, einem Neffen Friedrich Fröbels. Das Verbot, das weit über Preußens Grenzen hinauswirkt, trifft Friedrich Fröbel tief. Die Wiederzulassung der Kindergärten 1860 erlebt er nicht mehr.

1851 nimmt Friedrich Fröbel noch an einer Pädagogen-Versammlung in Bad Liebenstein und am 3. Juni 1852 an der allgemeinen deutschen Lehrerversammlung in Gotha teil. Wenige Tage später, am 21. Juni 1852 stirbt er in Marienthal und wird auf dem Friedhof von Schweina begraben.

Und was bleibt? Der Kindergarten!

Lernen ist Nachmachen, Ausprobieren, möglichst exaktes Kopieren komplexer Dinge mit möglichst einfachen Mitteln. Je einfacher die Mittel, umso vielfältiger die Möglichkeiten! Das ist alles!

Was? Alles?

Fröbels Spielgaben, geometrische Formen wie Kugel (Ball), Walze (Zylinder), Würfel und deren Unterteilungen, sind solche einfachen Mittel, mit denen man unendlich viel machen, schaffen, bauen, ausprobieren und entwickeln kann und mit denen Kinder besonders gut greifen und be – greifen lernen. Im Spiel mit Fröbels Gaben schärfen Kinder ihre Sinne, Geschick, Feinmotorik und Erinnerungsvermögen.

Aus einem Würfel kann man zwei „Dächer“ machen, indem man ihn diagonal teilt. Aus zwei oder mehr Würfeln entstehen Quader – so wie die Holzbausteine, die es heute in jedem Kindergarten zu hunderten gibt (oder jedenfalls geben sollte). Zylinder lassen sich als Säulen, Walzen oder runde Scheiben nutzen und die Kugel ist entweder ein Ball (Bewegungsspiele!) oder sie ergibt zwei „Kuppeln“ oder Halbkugeln, wenn man sie teilt.

Die 2. Spielgabe (Kugel, Walze, Würfel) auf einer DDR-Münze

Aus Würfeln, Quadern, Zylindern und Halbkugeln kann das Kind unendlich viele Dinge bauen, eine Ritterburg z. B., eine Brücke, eine Eisenbahn, Häuser, Straßen, Schienen, Zäune oder einen Turm, den es gemeinsam mit seinen Eltern irgendwo gesehen hat. Es baut seine eigene Welt im Kleinen – und begreift auf diese Weise die „große Welt“. Selbst wenn das Kind immer nur Ritterburgen bauen würde, so würde wahrscheinlich keine der anderen genau gleichen! Es kommt nur darauf an, dass möglichst viele Bausteine vorhanden sind.

„Das Spielen ist die eigentliche Arbeit des Kindes und ihm ebenso Bedürfnis, wie dem reifen Alter schaffende Tätigkeit … Spiel ist die ernsteste Angelegenheit für ein Kind, nichts Unterhaltendes-Überflüssiges, wie Erwachsene es häufig beurteilen.“

Dieses Zitat stammt – nein, nicht von Friedrich Fröbel – sondern von einem anderen Friedrich: Friedrich Nietzsche! Auch sein Leben war maßgeblich bestimmt von den Erfahrungen seiner frühen Kindheit aber zurück zu „unserem“ Friedrich Fröbel:

Komplexes aus Holzbausteinen bauen – ist das alles?

Komplexes aus Einfachem bauen – das schult die Feinmotorik und die Fantasie der Kinder! Und nennt man das heute nicht Emergenz, wenn das Ergebnis mehr ist als die Summe seiner Teile?

Funktioniert Schrift nicht ebenso – 26 Buchstaben, unendlich viele Worte? Schrift ist Information, weil Buchstaben zueinander in Formation gebracht werden! Die Kinder bringen Holzbausteine „in Formation“. Und ein PC, der binäre Code – da gibt es nur „0“ und „1“. Oder wie entstehen wunderschöne Bilder aus nur wenigen Grundfarben? Und die Erbinformation, die Bausteine des Lebens? Es gibt keinen Menschen, der exakt gleich aussieht wie ein anderer – und doch gründet sich diese unendliche Vielfalt auf eine DNA mit nur 4 Basen, die unendlich viele Kombinationen miteinander eingehen!

Fröbels Idee ist so einfach wie genial! Und sie ist zeitlos! Man muss nur erst einmal darauf kommen!

Aber was heißt eigentlich Kindergarten?

Ein Garten ist ein geschützter Raum und doch Teil der Natur, in dem Pflanzen, Blumen, Obstbäume, Gemüse usw. heranwachsen; gepflegt vom Gärtner, von einem, der sich auskennt mit Gärten und ihren Bewohnern. Am Anfang brauchen die jungen, zarten Pflanzen viel Pflege, man muss viel in sie hineinstecken, investieren, vor allem ganz viel Menschliches, Liebe, Zuwendung, Pflege.

Nichts anders soll nach Fröbel den Kindern im Kindergarten angedeihen. Und genau wie der Baum, der Jahr für Jahr seine Früchte trägt und der Natur viele Jahre lang mehr zurückgibt, als er ihr in seiner „Kindheit“ nahm, soll der Kindergarten den Grund legen für lebenstüchtige, glückliche, gesunde, selbstbewusste, stolze, sich selbst und anderen nützliche Menschen. Ist das nicht ein Ziel weit über die Vorschulerziehung hinaus?

Stolz?

Ja, Stolz! Die ganze Welt ist stolz auf Fröbels Idee, auf den Kindergarten – und nennt ihn mit seinem deutschen Namen! Nur in Deutschland „vergisst“ man ihn immer öfter, den Kindergarten. Ist das nicht traurig? Welche inhaltliche, welche pädagogische Aussage enthält denn eigentlich der amtlich kühle Begriff „Kindertagesstätte (KITA)“…?


Nein, Fröbel hat nicht nur den Kindergarten erfunden, sondern, vielleicht nur zufällig, ein geniales Prinzip der Natur entdeckt, von dem längst nicht nur Kinder lernen können …

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