12. Oberweißbach brennt!

Am 24. Mai 1857, früh halb 2 Uhr kommt es zur größten Brandkatastrophe in der Geschichte Oberweißbachs. Ein Feuer, ausgebrochen auf der Südseite der Straße, im Stall hinter dem Wohnhaus des Ökonomen Ludwig Holzhey, verbreitet sich rasend schnell und erfasst in kurzer Zeit Diakonat, Gemeindegasthof und Brauhaus, springt, von heftigem Südostwind getrieben, auf die Nordseite über und vernichtet auch dort zahlreiche Wohnhäuser, Scheunen und Nebengebäude. Betroffen ist der gesamte Bereich vom Markplatz abwärts bis zur Apotheke auf beiden Straßenseiten. Binnen einer Stunde gleicht die Oberweißbacher Ortsmitte einem Feuermeer.

Die meisten Gebäude sind noch mit Schindeln gedeckt. Löschversuche sind wegen der enormen Hitze und der Gefahrenlage völlig unmöglich. Die Feuerwehr versucht daher, dem Brand nach unten und oben Einhalt zu gebieten. Binnen 3 Stunden wird der gesamte Ortskern von Oberweißbach vernichtet.

Zeichnung aus "Elsässer, das Kirchspiel Oberweißbach im Wandel der Zeiten" - beschriftete Skizze folgt demnächst

Die Feuerwehr ist quasi in zwei Teile getrennt – niemand kommt vom oberen in den unteren Ort oder umgekehrt.

Panik bricht aus. Menschen handeln völlig plan- und ziellos. Jeder versucht, zu retten, was noch zu retten ist. In ihrer Angst greifen die Menschen nach völlig unwichtigen Sachen, lassen aber das Lebensnotwendige oder Wertvolle liegen. Der Chronist Kiesewetter berichtet von einem Mann, der in Hemd und Hosen aus seinem brennenden Haus flieht und nichts weiter retten kann, als seinen Stiefelknecht.

Das sich immer mehr ausbreitende Feuer ist völlig unberechenbar, da sich der Wind ständig dreht. Neugierige behindern die Lösch- und Rettungsarbeiten. Es kommt zu Plünderungen der bereits geborgenen Habseligkeiten. Bereits gerettet geklaubte Habe verbrennt später doch noch, weil sich das Feuer immer weiter ausbreitet.

Alles läuft wild durcheinander. Menschen schreien, Tiere brüllen, orientierungslos herumlaufendes Rindvieh wird zu einer zusätzlichen Gefahr.

Nach und nach treffen von drei Seiten immer mehr auswärtige Spritzen mit ihren Mannschaften ein:

  • 1. Cursdorf,
  • 2. Lichtenhain,
  • 3. Deesbach,
  • 4. Meuselbach,
  • 5. Mellenbach,
  • 6. Katzhütte,
  • 7. Unterweißbach,
  • 8. Sitzendorf,
  • 9. Schwarzburg,
  • 10. Allendorf,
  • 11. Unterhain,
  • 12. Oberhain,
  • 13. Egelsdorf,
  • 14. Allersdorf,
  • 15. Dröbischau,
  • 16. Herschdorf,
  • 17. Wildenspring,
  • 18. Böhlen,
  • 19. Gillersdorf,
  • 20. Mankenbach,
  • 21. Bechstedt,
  • 22. Königsee,
  • 23. Meura,
  • 24. Wittgendorf,
  • 25. Döschnitz,
  • 26. Breitenbach,
  • 27. Neuhaus,
  • 28. Lichte,
  • 29. Rohrbach,
  • und außerdem 30. noch eine kleine Spritze von Schmalenbuche.

In weniger als 2 Stunden werden schließlich 26 Wohnhäuser, fast ebenso viele Nebengebäude und 20 Scheunen vernichtet, darunter einige, die, um die Feuerwalze zu stoppen, vorsorglich abgerissen werden.

Die Brandstätte erstreckt sich vom Pfarrhaus (heute Fröbelmuseum) abwärts bis zum Metzger Himmelreich, auf der anderen Straßenseite von der Wagnergasse (heute Lichtenhainer Straße) abwärts bis an Georg Pabsts und Worms Wohnung. In der Mitte der Straße brennen das Diakonatsgebäude, das Laboratorium von Nicolaus Liebmann ganz und der Gemeindegasthof teilweise nieder. Wie durch ein Wunder sind keine Menschenleben zu beklagen.

Der Gesamtschaden beträgt 140.000 Gulden, wovon nur etwa die Hälfte durch Versicherungen gedeckt ist. Etwas 2.200 Gulden gehen an Unterstützungen aus nah und fern hier ein.

Dazu kommen einige unerwartete „Sachwerte“, die als Folge großflächig angelegter Haussuchungen im gesamten Ort wiederauftauchen. Besonders unterhalb der Brandstätte und in Mittelweißbach wird man fündig – die Diebe erwarten hohe Strafen.

Nach dem Brand

… zeigt sich das wahre Gesicht so manches Zeitgenossen. Es kommt zu einem Streit darüber, ob der ehemals in der Mitte der Straße gelegene Gemeindegasthof wiederaufgebaut oder ein in der Nähe befindliches Gebäude des Laboranten Wilhelm (heutige „Schenke“) zu diesem Zwecke erworben werden soll.

Beide Vorschläge finden das Missfallen des Gastwirtes Ferdinand Koch („Goldener Anker“), der wohl geglaubt hat, durch den Brand einen lästigen Konkurrenten losgeworden zu sein. Derselbe begibt sich deshalb unverzüglich zum derzeit amtierenden Landrat, dem Assessor Holleben nach Schwarzburg.

Am 20. August erscheint Holleben in Oberweißbach, nachdem er bei Strafe von 50 Gulden jegliche weitere Tätigkeit der Gemeinde in dieser Sache untersagt hat. Sein Auftreten im hiesigen Felsenkeller („Kraft meines Amtes …“, „die Gemeinde hat nichts zu beschließen…“) kommt einer Entmündigung der Gemeinde gleich und wird von den Einwohnern entsprechend quittiert. August Jahn, ein Ortsbürger wagt es, Holleben zu korrigieren und soll daraufhin vom Gendarm in Arrest genommen werden. Jahn jedoch bleibt ganz ruhig und weist darauf hin, dass er ortsansässig sei, woraufhin der Gendarm von der Verhaftung absieht. Als schließlich Heinrich Franke Holleben auf sein Benehmen hinweist („Herr Assessor, bei unseren Gemeindeversammlungen ist es nicht erlaubt, sich so zu benehmen und auf den Tisch zu schlagen.“) kommt es zum Handgemenge. Gastwirt Koch, der wohl nicht mit einem solchen Widerstand gerechnet hat, reißt Franke zu Boden. Aber auch der bleibt ruhig und wird lediglich der Versammlung verwiesen.

Holleben verlässt daraufhin wütend die Versammlung und der Gemeinderatsvorsitzende, Advokat Hopfe, setzt seinen Vortrag fort. Die folgende namentliche Abstimmung ergibt eine Mehrheit für den Ankauf des Wilhelmschen Hauses, nicht zuletzt deshalb, weil auf diese Weise der neue Gemeindegasthof noch im Herbst in Betrieb gehen kann.

Die Sache ist indes nicht ausgestanden. Auf Betreiben Hollebens rücken 25 Mann Militär in Oberweißbach ein. August Jahn wird verhaftet und in die Fronfeste gebracht. Der Assessor indes veranstaltet im Schönauschen Gartenhaus eine makabre Inszenierung, bei der nochmals über Neubau oder Ankauf des neuen Gemeindegasthofes abgestimmt wird. Das Gartenhaus wird dabei vom Militär umstellt. Die Oberweißbacher lassen sich jedoch nicht einschüchtern, auch nicht dadurch, dass diejenigen, die für den Ankauf sind, das Haus durch die Vordertür (offenbar direkt in die Hände der Soldaten), die anderen aber durch die Hintertür verlassen müssen. Das Ergebnis der Abstimmung fällt wiederum zu Gunsten des Ankaufs aus.

Aus Rudolstadt trifft unterdessen Staatsanwalt Schäfer ein – und entlässt Jahn umgehend aus der Haft. Das Militär rückt ab. Das Fürstliche Kreisgericht beschließt die Beilegung der Sache.

Holleben indes gibt noch immer nicht auf und geht vor das Appellationsgericht in Eisenach. August Jahn wird 1858 doch noch zu 7 Wochen Gefängnis und zwei Drittel der Kosten verurteilt; Heinrich Franke bekommt 4 Wochen Gefängnis und muss ein Drittel der Kosten tragen. Erst 1859 tritt Jahn seine Strafe in Rudolstadt an, sitzt jedoch nur 3 Wochen ab, während Franke 14 Tage Arrest in der Fronfeste verbüßt.

Weder der alte Gemeindegasthof in der Mitte der Straße noch das Diakonat werden wiederaufgebaut.

Am 23. September wird der neue Gemeindegasthof „Zum Erbprinz“ (heute „Schenke“) eröffnet. Er wird – wie schon der alte Gemeindegasthof – von der Familie Preu-nel betrieben.

Am 1. Oktober lässt Ludwig Holzhey, bei dem das Feuer am 24. Mai ausgebrochen war, sein neues Haus aufrichten (wahrscheinlich das heutige 2. Haus unterhalb der Gasse). Es ist das erste Wohnhaus auf der Brandstätte; vorher waren bereits 5 Scheunen neu gebaut worden.

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